BUND Landesverband Bremen

Klimaneutralität in Bremen bis 2038 braucht endlich Umsetzen im großen Stil

29. Dezember 2022 | Artenschutz, Energie, Energiewende, Klimaschutz, Klimawandel, Mobilität, Nachhaltigkeit, Stadtnatur, Weser und Nordsee

Die Legislaturperiode im Land Bremen biegt in die Zielgerade ein - Anlass für eine kritische Bilanz von über 3 Jahren Klima- und Umweltpolitik des rot-grün-roten Senats. „Trotz einer ambitionierten Koalitionsvereinbarung beschränkte sich auch in der laufenden Legislatur Klimaschutz auf punktuelle Projekte ohne Breitenwirkung. Zwar hatte die Bürgerschaft beschlossen, Bremen und Bremerhaven zu Solarcities zu machen und umgehend eine Solarpflicht einzuführen. Doch neue Solaranlagen auf öffentlichen Immobilien sind weiterhin die große Ausnahme und die Solarpflicht für alle Neubauvorhaben ist in einer Dauer-Warteschleife“, stellt Klaus Prietzel, Vorsitzender des BUND Landesverbandes Bremen fest.

Auch die Verkehrswende ist noch nicht wirklich vorangekommen. „Statt stringent die Mobilitätswende voranzutreiben, verbeißt sich die rot-grün-rote Koalition im Streit um die Straßenbahnführung durch Obern- oder Martinistraße und die Domsheide“, ergänzt BUND-Geschäftsführer Martin Rode. Immerhin ist es dem Verkehrsressort endlich gelungen, den Straßenbahnausbau in Huchting und Richtung Stuhr und Weyhe in Gang zu bringen.

Für den Radverkehr sollten neue Weserbrücken und Radpremiumrouten entstehen. Am Ende der Legislatur werden von einer einzigen Premiumroute kürzere Strecken gebaut sein, nämlich ein Teilstück des bundesgeförderten Wallrings und ein Abschnitt in Hemelingen. Für durchgängige längere Routenabschnitte und die wichtigen neuen Weserquerungen bleibt es vorerst noch bei Planungen.

Statt einer zwingend erforderlichen Reduzierung von Autostellplätzen im Rahmen einer ernsthaften sozialökologischen Verkehrswende im Großen führt beim illegalen aufgesetzten Parken das konsequente Ignorieren der Straßenverkehrsordnung durch das Innenressort mittlerweile zu bundesweit beachteten Gerichtsentscheiden. „Dabei geht es um das schlichte Anliegen, den Straßenraum wieder für die Lebensqualität der Menschen zurückzugewinnen, statt sie weiter den alles zuparkenden Blechkisten zu überlassen“, stellt Rode fest.

Erst jetzt, fast am Ende der Legislatur scheint erstmals für das Land Bremen mit dem parteiübergreifend beschlossenen Abschlussbericht der Klima-Enquetekommission Bewegung für einen Masterplan zur Klimaneutralität bis 2038 zu kommen. Auf Basis des Enqueteberichtes hat jetzt der Senat mit der kürzlich beschlossenen Klimaschutzstrategie und einem 2,5 Milliarden-Programm wichtige Voraussetzungen geschaffen, um in den nächsten vier Jahren finanziell und personell deutlich beschleunigt in die Umsetzung zu kommen. Verstärkt wurde der politische Handlungsdruck dabei sicherlich durch den Ukrainekrieg und die auch von der Bremer Politik aufgenommene Bedeutung eines geopolitisch enorm drängenden Erdgasausstiegs.

Dadurch verstärkt sich auch die Hoffnung auf das längst überfällige Landeswärmegesetz mit einer kommunalen Wärmeplanung, mit der für jeden Bremer Straßenzug endlich Planungssicherheit gegeben werden soll, wie die Bude zukünftig beheizt wird. In diesem Zusammenhang hat der Senat anerkennenswert gegen den Widerstand der in den letzten Jahren reich gewordenen Baulobby jetzt den „Bremer Standard“ beschlossen, so dass zumindest der Neubau fit für eine klimaneutrale Zukunft werden kann.

Ein Leitgedanke darin ist auch ein viel schonenderer Umgang mit kostbaren begrenzten Naturflächen. Viele Bauvorhaben kranken denn auch bislang am mangelhaften Umgang mit Natur. Mit dem neuen Gewerbeentwicklungsprogramm (GEP) soll der Biodiversität besondere Aufmerksamkeit gegeben werden. Im Widerspruch dazu wird bei zentralen Gewerbeprojekten des Senats wie dem Gewerbegebiet Hansalinie an der A1 oder auf der Luneplate in Bremerhaven weiterhin großflächig Natur verbraucht. Bei der Hansalinie sind denn auch gravierende Bewertungsfehler beim Artenschutz aufgetreten, so dass der Senat umfangreich nachbessern musste. Nur auf Druck des BUND ist es gelungen, wenigstens einen Teil der bereits für die Rodung vorgesehenen Waldflächen zu retten.

Das Bauvorhaben an der Ostpreußischen Straße am Rande der Vahr wurde jüngst sogar gerichtlich gestoppt u.a. aufgrund mangelnder Beachtung des Artenschutzes. Offenkundig werden Naturschutzbelange bei Bauprojekten nicht genügend berücksichtigt, wohl auch wegen unzureichender Personalausstattung der Naturschutzbehörde. Dennoch betreibt der Senat munter weiter Bauprojekte zulasten der innerstädtischen Grünstrukturen wie bei der Gewerbeplanung Horner Spitze. Der BUND fordert vom Senat einen Paradigmenwechsel beim Umgang mit der Grünausstattung der Stadt, nämlich keinen weiteren Verlust. Den Anforderungen des Klimawandels mit immer heißeren und trockenen Sommern muss endlich Rechnung getragen werden.

Aber selbst Gerichtsentscheide führen bislang nicht zur besseren Einsicht. Kaum ist der Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) auch in letzter Instanz vor Gericht gescheitert, fordern die ersten Politiker einen Wasserstoff-Hafen an gleicher Stelle im Naturschutzgebiet. Ähnliche Beharrungskräfte bei der Weservertiefung: Zwar hat die gerade abgeschlossene Elbvertiefung für alle sichtbar den Fluss kaputt gemacht und kann dennoch nicht die gewünschte Tiefe bringen. Dennoch wird unbeirrbar an der Weservertiefung festgehalten, obwohl die weltgrößten Containerschiffe ständig Bremerhaven anfahren und mit dem Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven der deutsche Tiefwasserhafen händeringend auf Ladung wartet. Statt ernsthafter Hafenkooperation trägt das Land Bremen lieber die Verluste in Wilhelmshaven mit.

Beim Autobahn- und Fernstraßenbau genau das Gleiche. Planungen aus den 1960er Jahren werden in unglaublicher Ignoranz gegenüber den geänderten Klimaschutzanforderungen an den Verkehrssektor stur weiter betrieben. Besondere Beispiele aus dem Großraum Bremen sind die Küstenautobahn A20 von Westerstede bis Drochtersen und die B74 Ortsumgehung Ritterhude durch Hammeniederung und Blockland.

„Auch das sind allesamt Vorhaben, die dem Ziel einer schnellstmöglichen Klimaneutralität für Deutschland und Bremen nie standhalten würden. Diese enorme Inkonsequenz im politischen Handeln muss schnellstens auch in der Bremer Politik überwunden werden“, fordert der BUND-Vorsitzende Prietzel. „Wir brauchen jetzt eine ressortübergreifende durchgängige Energiewende-Strategie mit klaren Ansagen und Maßnahmen für Verwaltung, Bürger*innen und Unternehmen, wie Klimaneutralität 2038 erreicht werden soll. Und zwar mit deutlich mehr Mut und Entschlossenheit zu einer wirklich konsequenten Transformation anstelle von klimapolitischer Kosmetik.“

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