BUND Landesverband Bremen

BUND und ADFC fordern Berücksichtigung der externen Kosten des Autoverkehrs in der Bremischen Wirtschaftspolitik

08. Juni 2011 | Mobilität

- Mehr Fahrrad hilft auch der Wirtschaft – Potenzial des Radverkehrs in Bremen nicht ausgeschöpft

Von: Georg Wietschorke
Bremen, den 08.06.2011. „Autofahren gefährdet Ihre Gesundheit und die Ihrer Mitmenschen und kostet die Gesellschaft viel Geld. Betreiben Sie seinen Genuss maßvoll.“ So könnten Aufkleber für Autos aussehen, meint BUND-Vorstandsmitglied Beatrix Wupperman. „Etwas anders ausgedrückt: Autofahren verursacht externe Kosten, die die AutofahrerInnen der Allgemeinheit zumuten. Im Gegensatz dazu bringt jeder Kilometer, der auf dem Fahrrad zurück gelegt wird, der Gesellschaft puren Nutzen - also ein Plus. In der Bremischen Wirtschaftspolitik werden diese Zusammenhänge bisher jedoch ignoriert. Die Umweltverbände BUND und ADFC betonen deshalb, dass die Verkehrspolitik unbedingt im Bau- und Umweltressort verbleiben muss, statt sie ins Wirtschaftsressort zu verschieben, wo sie wieder zum Spielball einseitiger Partikularinteressen würde, statt sich am Wohl der Gesamtbevölkerung zu orientieren.

Inhaltlich heißt das laut BUND und ADFC, die explizite Förderung des Fahrradverkehrs in der nächsten Legislaturperiode kompromissloser als bisher zu betreiben. Die Gesundheit der Bremerinnen und Bremer, ihre Lebensqualität und die zunehmende Staatsverschuldung fordern ein Umdenken vor allem in der Wirtschaftspolitik. „Wir begrüßen es, dass der Wirtschaftsstaatsrat Fahrrad fährt, aber es geht nicht an, dass eine Lobby mit Handelskammer und ADAC die Wirtschaftspolitik des Bundeslandes weiterhin in die falsche Richtung drückt“, so BUND-Vorstandsmitglied Beatrix Wupperman. „Die Förderung des Autoverkehrs führt nicht zur Belebung der Innenstadt und löst auch keine Beschäftigungseffekte aus. Studien aus Wien und Kopenhagen zeigen, das man zur Erreichung dieser Ziele andere Wege gehen muss. Wie bei der Energiepolitik und der Atomwirtschaft gibt es auch in der Mobilitätspolitik Alternativen, die nicht auf dem Rücken der Gesamtbevölkerung zugunsten einzelwirtschaftlicher
Interessen ausgetragen werden müssen.“

BUND und ADFC wenden sich gegen eine Politik, die die externen Kosten der motorisierten Mobilität nicht zur Kenntnis nehmen will. Zu diesen externen Kosten gehören Erkrankungen aufgrund der toxischen Abgase wie Atemwegs- und Krebserkrankungen, Folgen der ständigen Lärmbelastung, Herz- und Kreislauferkrankungen aufgrund von zunehmender Fettleibigkeit und Bewegungsmangel der AutofahrerInnen, Unfälle mit Verletzungen und Todesfolge, der zunehmende Klimawandel und die hohen Infrastrukturkosten, die der motorisierte Verkehr fordert. Ausgaben für den Straßenbau liegen fast zehnmal so hoch wie die für Radinfrastruktur, ohne dass die „Verbesserung“ der Straßen die Probleme des zunehmenden Verkehrs löst. Der neue  ADFC-Landesvorsitzende Peter Rüter unterstreicht, dass das Potenzial fürs Fahrrad in Bremen lange noch nicht ausgeschöpft sei. "Mehr als die Hälfte aller Autofahrten sind kürzer als fünf Kilometer - ideal für den Umstieg aufs Fahrrad als schnelles und flexibles innerstädtisches Verkehrsmittel ohne große Parkplatzsorgen!"

„Die immer wieder einsetzende Debatte um die Umweltzone zeigt deutlich, welch geringen Stellenwert das Thema Gesundheitsbelastung durch Verkehr bei Umweltzonenkritikern hat, geschweige denn, dass sie belastbare Alternativvorschläge zur Reduzierung der Luftbelastung auf das gesetzlich vorgeschriebene Maß haben“, so der BUND-Sprecher Georg Wietschorke.

Das Kopenhagener Institut COWI hat errechnet, dass jeder Autofahrer in der Stadt pro gefahrenem Kilometer die dänische Gesellschaft 1,13 Dänische Kronen = 15 Cent kostet (in der Rush Hour steigt dieser Wert auf 1,98 DKK = 27 Cent). Dagegen vermehrt ein Fahrradfahrer den gesellschaftlichen Wohlstand pro geradeltem Kilometer um 16 Cent – denn er/sie selbst ist fitter, das Fahrrad emittiert keine toxischen Gase oder Treibhausgase, und es macht keinen Lärm (COWI: Economic Evaluation of Cycle Projects, Dezember 2009).

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Arbeit aus Wien, die zudem auch die Beschäftigungseffekte von Verkehrsprojekten unter die Lupe genommen hat: Die geringsten Beschäftigungseffekte wurden in der Wiener Untersuchung für den Bereich des Fernstraßenbaus ermittelt. Sehr hohe Beschäftigungseffekte wurden jedoch  für Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung (Radinfrastruktur etc.) gefunden. (aus: Trunk, Gregor: Gesamtwirtschaftlicher Vergleich von PKW- und Radverkehr, Wien 2010).

Die Wiener Studie kommt auch zu dem Ergebnis, dass eine Verbesserung des Anteils des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen, der so genannte Modal Split, den gesellschaftlichen Nutzen verbessert: Heute werden 25 Prozent aller Wege in Bremen auf dem Fahrrad zurück gelegt. Folgen wir den Wiener Forschungsergebnissen, so ergibt jedes Prozent mehr einen externen Nutzen im Wert von 56 Mio. € pro Jahr. Eine Verdoppelung des Anteils in Bremen auf 50 Prozent würde uns pro Jahr ein Plus von 1,4 Mrd. € bescheren. Der Löwenanteil entfällt  dabei auf die verbesserte Gesundheit.

Diesen Zusammenhang zwischen nachhaltiger Verkehrspolitik und Gesundheitspolitik bestätigen auch die Forschungsergebnisse der Stadt Kopenhagen. Sie weisen explizit auf die Vorteile der Wirtschaft durch eine  Verringerung der Produktionsausfallkosten aufgrund von gesünderen ArbeitnehmerInnen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, hin. Kopenhagen und ganz Dänemark haben hieraus klare Konsequenzen gezogen: Verringerung der externen Kosten des Verkehrs durch massive Förderung des Radverkehrs.

BUND und ADFC fordern deswegen nicht nur die offensive Förderung des Radverkehrs sondern auch eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung insbesondere in der Wirtschaftsbehörde mit den externen Kosten einer Förderung des motorisierten Verkehrs. Notwendig ist ein Paradigmenwechsel der Wirtschafts- und Verkehrspolitik weg vom Wachstumszwang und hin zu einer nachhaltigen Strategie.

BUND und ADFC erwarten, dass bei den Verhandlungen für die neue Rot-Grüne Koalition die wahren Kosten des Autoverkehrs in die zukünftige Wirtschafts- und Verkehrspolitik einbezogen werden, dass endlich ein Umsteuern erfolgt zugunsten der Lebensqualität der Menschen und der Staatsfinanzen. Deswegen sind die beiden größten bremischen Umweltverbände auch strikt gegen eine Übernahme des Verkehrsressorts durch den zukünftigen Senator für Wirtschaft, denn Umwelt-, Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik gehören unwiderruflich zusammen.  

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb