BUND Landesverband Bremen

BUND zum Bremer Aktionsprogramm Klimaschutz 2010

10. September 2008 | Energie, Klimaschutz

Ein erster energiepolitischer Schritt

Endlich hat der Umweltsenator den lange versprochenen Klimaschutzplan vorgelegt. Dass jetzt energiepolitisch mehr passiert, ist mehr als überfällig, denn Bremen startet von einer denkbar schlechten Ausgangssituation. So liegen die Pro-Kopf-Emissionen an CO2 im Bundesland Bremen höher als der Bundesdurchschnitt. Verantwortlich sind dafür der hohe Kohleanteil, viel weniger erneuerbaren Energien und die geringe Fernwärmenutzung bei der Stromerzeugung. Bremische Gebäude, ob Alt- oder Neubau, ob öffentlich oder privat sind energetisch keinen Deut besser als anderswo, und auf Bremens Straßen fahren dieselben Spritschlucker. Zählt man die enormen Energieverbräuche bei der Stahlproduktion hinzu, wird in Bremen pro Kopf sogar doppelt so viel CO2 wie bundesweit in die Luft gepustet.

„Das zeigt auch gerade für Bremen unsere dramatische Abhängigkeit von fossilen Energieressourcen. Das vom Umweltsenator vorgelegte Klimaschutzprogramm 2010 kann deshalb nur als ein erster Schritt gewertet werden“, meint BUND-Vorsitzender Klaus Prietzel. „Die dortige Zusammenstellung vielfältiger, kurzfristig realisierbarer Klimaschutzmaßnahmen ist zusammen genommen zwar durchaus ehrgeizig , aber in wesentlichen Teilen bereits Beschlusslage.“ Der Verkehrssektor wird erstmals mit einbezogen, lässt jedoch die gewaltige Zunahme im Gütertransport völlig außen vor. Während man insgesamt bis 2010 6% CO2-Minderung erreichen will, sind es im Verkehrssektor gerade mal 1%. Die notwendige energiebezogene Überarbeitung der Landesbauordnung und Bauleitplanung bleiben unkonkret. Energieeffizientes Bauen, die verpflichtende Nutzung Erneuerbarer Energien und die Nutzung von Fernwärme sollen zunächst auf Modellprojekte beschränkt bleiben. „Da haben wir mehr Mut zu mehr konkreten Festlegungen und Ziele erhofft“, stellt Prietzel fest.

Der BUND betont, dass der Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe aller Ressorts des rot-grünen Senats werden muss. Dies lässt der Entwurf des Umweltsenators noch nicht erkennen und bleibt als große Aufgabe der angekündigten Fortschreibung für den Zeitraum bis 2020 vorbehalten. Vor allem das Sozial- und das Wirtschaftsressort können wichtige Beiträge leisten, z.B. durch Investitionshilfen für einkommensschwache Haushalte für eine Grundausstattung zum Energiesparen oder durch Verknüpfung der Wirtschaftsförderung mit ehrgeizigen energetischen Standards.

„Entscheidend ist jetzt, wie das Folgeprogramm nach 2010 aussehen wird,“ schließt Prietzel. „Dort erwarten wir viel stärker als jetzt, dass über wichtige Einzelprojekten hinaus gedacht, die gesamten bremischen Potenziale bei Strom, Wärme und Verkehr bewertet und zu einem deutlich höheren Grad erschlossen werden.“ Das geht nur in einem breiten Schulterschluss von Bevölkerung, Politik und Wirtschaft. Der BUND begrüßt deshalb den Willen des Umweltsenators, dafür alle relevanten Akteure einbeziehen zu wollen.

Hintergrund

Mit dem jetzt vorgelegten Klimaschutzprogramm, zunächst nur für den Zeitraum bis 2010, sind hohe Erwartungen verbunden, schließlich wollte der rot-grüne Senat den Klimaschutz zu einem zentralen Handlungsschwerpunkt seiner Politik in der laufenden Legislaturperiode machen.

Nach zwanzig Jahren, in denen in Bremen energiepolitisch wenig passiert ist, kommt Hoffnung auf, dass der Senat sich endlich der großen Aufgabe Klimaschutz stellt. Der BUND begrüßt, dass der Senat den Ausbau der Erneuerbaren Energien fördern möchte. In den nächsten zwei Jahren sind dies vor allem der Windkraftausbau (noch unter der großen Koalition beschlossen) und der Bau des Weserkraftwerks, dessen Planungen seit etwa zehn Jahren laufen. Das wichtige Förderprogramm zur energetischen Sanierung von Altbauten wird weitergeführt. Endlich wird auch der Verkehrsbereich in die Klimaschutz-Überlegungen des Senats einbezogen.

Das jetzt etwas passiert, ist dringend notwendig, denn Bremen startet von einer denkbar schlechten Ausgangssituation:

- Die pro-Kopf-Emissionen des Treibhausgases CO2 liegen im Bundesland Bremen etwa doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Dies liegt vor allem an den hohen Emissionen bei der Stahlerzeugung und der Stromerzeugung aus Kohle.

- In Bremen kommen knapp 75 % des Stroms aus alten Kohlekraftwerken. Diese Dinosaurier der Stromerzeugung haben einen sehr schlechten Wirkungsgrad und erzeugen pro Kilowattstunde (kWh) sehr viel CO2 – rund doppelt so viel wie Gaskraftwerke.

- Klimafreundliche Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien spielt in Bremen bisher so gut wie keine Rolle: während im Bundesschnitt inzwischen 17 % des Stroms mit der Kraft aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse erzeugt werden, liegt der Anteil in Bremen bei 2 %.

- Bei der Kraft-Wärme-Kopplung, vor allem der Fernwärmenutzung, hat in den vergangenen 20 Jahren kein wesentlicher Ausbau stattgefunden. Ein großer Teil der Abwärme Bremer Kraftwerke geht so über das Kühlwasser ungenutzt verloren.

- Bremen ist eine Stadt der kurzen Wege. Viele Bürgerinnen und Bürger nutzen Fahrrad sowie öffentlichen Personennahverkehr. Das Potenzial dieser Verkehrsmittel liegt jedoch insbesondere bei steigenden Ölpreisen wesentlich höher. Ein Konzept zur Förderung dieser Verkehrsmittel fehlt seit Jahren.

Ein rot-grünes Klimaschutzprogramm für Bremen muss sich auch an den Klimaschutzprogrammen anderer Bundesländer und Großstädte messen lassen. Bei diesem Vergleich fällt auf:

- Im Aktionsprogramm Klimaschutz fehlt eine echte Gegenüberstellung des Status quo der CO2-Emissionen und der angestrebten Minderungen in den Zeiträumen bis 2010, bis 2020 und bis 2050. Die Aussage, sich an bundesweiten Zielsetzungen zu orientieren, klingt erstmal schwach, bedeutet aber bis 2020 eine Senkung um 20% und bis 2050 eine Halbierung der Emissionen!

- Es fehlt eine integrative Betrachtung der Bereiche Strom, Wärme und Mobilität: Mit der Abwärme aus der Stromerzeugung lassen sich Häuser heizen; elektrisch betriebene Fahrzeuge benötigen Strom, können aber auch als Speicher dienen. Hierzu ist es wichtig, Bilanzen zu erstellen, die Potenziale zur Einsparung und Effizienzsteigerung aufdecken. Dazu gehört eine Bestandsaufnahme der Abwärmeverluste bei der Stromerzeugung und beim Verkehr ebenso wie die bestehenden Wärmeverluste der Gebäude.

- Die Methodik bei der Berechnung der CO2-Einsparung im vorgelegten Aktionsprogramm Klimaschutz folgt der Methodik des Landesenergieprogramms der Vorjahre. Es werden nur Maßnahmen bewertet, die zu einer Einsparung führen. Dann werden diese Einsparungen aufsummiert und bezogen auf den aktuellen Ausstoß eine fiktive prozentuale Einsparung angegeben. Diese Methodik ist höchst fragwürdig, weil alle Entwicklungen, die zu einem CO2-Anstieg führen, einfach unter den Tisch fallen. Beispiele hierfür sind der zunehmende Verkehr durch Autobahnbauten, durch Transporte in die boomenden Häfen, aber auch die Einführung von Ganztagsschulen, kostenlosem Mittagessen und die dafür erforderlichen Neubauten von Küchen in Schulen und Kindergärten.

- Das Ökoinstitut hat für München (2004) vorgemacht, wie sauber gerechnet und argumentiert wird: Es gibt ein Referenz-Szenario, wie sich die Emissionen ohne Klimaschutz-Maßnahmen entwickeln und ein Szenario mit Klimaprogramm. So wird der Effekt von Klimaschutz-Maßnahmen korrekt wieder gegeben.

- Hilfreich wäre eine grafische Darstellung der Einsparbeiträge der verschiedenen Sektoren im Programm gewesen (siehe Abbildungen): dann würde deutlicher, dass einerseits der weit überwiegende Anteil der Einsparungen an Treibhausgas-Emissionen einzig auf den Ausbau der regenerativen Stromerzeugung (und dort weit überwiegend Wind) zurück zu führen ist. Die enormen Potenziale vor allem im Bereich Verkehr, integrierter Strom- und Wärmeversorgung und energetischer Sanierung bleiben dagegen weitgehend unbearbeitet.

- Bremen hat kein Geld – auch nicht für den Klimaschutz. Im Vorwort des Aktionsprogramms wird der Stern-Report zitiert. Dieser fordert, dass 1 % des Bruttoinlandsprodukts jetzt für Klimaschutzmaßnahmen ausgegeben wird, damit die Folgen des Klimawandels nicht unbeherrschbar werden. An dieser Zahl muss sich das Bremer Programm messen lassen. Bisher sind keine Angaben zu Klimaschutz-Kosten enthalten. Der Hamburger Senat wendet immerhin 28 Millionen Euro für den Klimaschutz auf.

Die Bundesregierung hat in diesem Jahr umfangreiche Förderprogramme für Klimaschutz in Kommunen aufgelegt. In diesen steckt viel Geld; die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des Emissionshandels. Wie können diese Programme von Bremen und Bremerhaven offensiv genutzt werden?

Neben dem Klimaschutz als wichtiger Herausforderung spielt auch das Thema der Ressourcenverknappung und der dadurch dramatisch ansteigenden Energiekosten eine immer wichtigere Rolle. Dieser Aspekt wird im Aktionsprogramm nicht betrachtet.

Dabei muss sich ein Land wie Bremen, in dem ein großer Anteil der Bürgerinnen und Bürger auf Sozialhilfe angewiesen ist, unbedingt darüber Gedanken machen, wie das Wohnen bezahlbar bleibt. Auch Schulgebäude, Kindergärten und Verwaltungsgebäude sind zu beheizen. In Energiesparmaßnahmen investierte Mittel sind dringend erforderlich, damit sich diese konsumtiven Ausgaben für die kommunalen Haushalte Bremens und Bremerhavens überhaupt noch darstellen lassen.

Auch Bremens Wirtschaft ist abhängig von Energie. Welche Mengen an den Rohstoffen Kohle, Gas, und Erdöl / Treibstoffe benötigt die bremische Wirtschaft, um auf gleichem Niveau weiter zu machen wie bisher? Welche Auswirkungen haben steigende Energiepreise? Darauf gibt das vorgelegte Aktionsprogramm leider keine Antwort. Die bremische Wirtschaft ist in ihren Bemühungen zur Steigerung der Energieeffizienz deutlich stärker als bisher zu unterstützen! Dies würde eine Sicherung des Wirtschaftsstandorts Bremen und der Arbeitsplätze bedeuten.

Der Klimaschutz muss zu einer Querschnittsaufgabe aller Ressorts des rot-grünen Senats werden. Dies lässt der Entwurf des Umweltsenators noch nicht erkennen.

Wie geht es nach 2010 weiter? Nach dem Aktionsprogramm soll ein umfangreiches Klimaschutzprogramm bis 2020 folgen. Stärker als beim vorgelegten Programm wird es darauf ankommen, bisher unbekannte Potenziale zu erkennen und zu erschließen. Klimaschutz muss auf eine breite gesellschaftliche Basis gestellt werden. Dazu ist eine breitere Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen von Wirtschafts- und Umweltverbänden über die Beiräte, Schulen usw. erforderlich. Laut Beschluss der Bürgerschaft ist es Aufgabe des Senats, diesen Prozess zu organisieren. 

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