BUND Landesverband Bremen

Mobilität für alle – statt Vorfahrt für Benzinkutschen

20. April 2011 | Mobilität

BUND und ADFC fordern zukunftsfähige und postfossile Verkehrspolitik in Bremen

Bremen, 20.04.2011. Die Verkehrspolitik ist in Bremen mehr und mehr zu einem Wahlkampfthema geworden. Dabei werden in schöner Regelmäßigkeit Probleme hochstilisiert, die an der Wirklichkeit erheblich vorbei gehen. „Nicht drei Fußgängerampeln an der Kurfürstenallee oder Parkstreifen im Concordiatunnel verursachen erhebliche Behinderungen, sondern 300.000 Pkw in Bremen plus über 100.000 automobile Pendler, die täglich über 7 Millionen Kilometer in Bremen fahren. Wir stehen nicht im Stau, wir sind der Stau“, so Georg Wietschorke, stellvertretender Geschäftsführer des Bremer BUND. Objektiv betrachtet hat Bremen trotzdem wenig Stauprobleme: In einer Vergleichsstudie von 50 staugefährdeten Großstädte landet Bremen ganz hinten auf Platz 46. Anstatt mit Scheuklappenblick immer nur das Auto in den Mittelpunkt zu stellen, ist heute der Blick auf die Gesamtmobilität erforderlich. Jahrzehntelang war die Verkehrspolitik auf das Auto mit Verbrennungsmotor zentriert, ein Verkehrsmittel, das ähnlich wie das Wählscheibentelefon in dieser Form keine Zukunft hat. In Zeiten des Klimawandels und schwindender Erdölreserven sind nachhaltige Verkehrsmittel gefragt, die auch morgen noch Mobilität für alle sicherstellen und die Lebensqualität in der Stadt aufwerten.

„Eine intelligente Verkehrsmittelwahl hat nichts mit Verzicht oder der moralischen Keule zu tun sondern ganz viel mit Modernität, rationalen Entscheidungen und Spaß. Für jeden Zweck das geeignete Verkehrsmittel, so lautet die Formel für den ersten Schritt dahin“, räumt Dr. Beatrix Wupperman aus dem BUND-Vorstand mit einem weit verbreitetem Vorurteil auf. Das Potenzial ist enorm: 70 % aller Autofahrten könnten durch andere Verkehrsmittel umweltschonend ersetzt werden, vor allem durch das Fahrrad oder auch das Elektrorad, beides echte Spaßgeneratoren mit hohem Umweltnutzen. Hier fehlt es aber immer noch an attraktiver Infrastruktur, um noch mehr BremerInnen den Umstieg schmackhaft zu machen, z.B. schnelle, breite und glatte Velorouten in die City und zum Bahnhof oder zuverlässiges Bike&Ride mit sicheren Abstellmöglichkeiten.

„Bremen hat exzellente Voraussetzungen für ein modernes Mobilitätssystem und bereits viele gute Ansätze: Wir haben ein gut entwickeltes Car Sharing mit viel Potenzial, auch für gewerbliche Nutzung, einen immer besser werdenden ÖPNV, und ein Viertel aller Wege werden schon heute mit dem Fahrrad auf 700 km Radwegen zurückgelegt“, so Klaus-Peter Land, Geschäftsführer des ADFC Bremen. In der Citylogistik ist Bremen führend in Deutschland. Doch anstatt mit diesen Pfunden zu wuchern, wird die Autolobby nicht müde zu behaupten, die Innenstadt sei nicht zu erreichen. Mit solchen Behauptungen schadet sie vorsätzlich dem Standort Bremen. Und diese Leute haben ihre statistischen Hausaufgaben nicht gemacht: Kaum jemand will heute noch mit dem Auto in die City: Nur gut 10 Prozent aller KundInnen reisen mit dem Auto an, über 60 % dagegen mit dem Fahrrad und ÖPNV. Die gefragtesten Einkaufslagen in der City sind diejenigen, die autofrei sind! Es kann also in Zukunft nicht darum gehen, das knappe Geld Bremens für die Verbesserung der Bedingungen des Autos auszugeben, sondern vielmehr darum, eine intelligentere Verkehrsmittelwahl zu fördern.

Autos kosten die Gesellschaft und den Staat ungeheuer viel Geld, so genannte externe Kosten, die vom Autofahrer nicht getragen werden. Der Autoverkehr in Bremen erzeugt externe Kosten von 60 bis 85 Millionen Euro pro Jahr, vermutlich noch mehr. Die Stadt Kopenhagen, die schon längst eine Fahrradrevolution ausgerufen hat, hat errechnet, dass es für die Stadt am günstigsten ist, wenn vom Auto aufs Fahrrad umgestiegen wird.

Deswegen fordern BUND und ADFC:

1.      Die Förderung des Fahrrads muss ganz oben auf die Liste der Verkehrspolitik. Bremen muss sein Selbstverständnis als Fahrradstadt selbstbewusst bekannt machen: Fahrradtouristen in die Stadt locken.

2.      Die Stadt muss attraktiver werden. Deshalb: Priorität für die Belange von AnwohnerInnen bei Verkehrsplanungen. Auch Modelle wie Shared Space müssen dafür eingesetzt werden. Verkehrsprojekte wie die A 281 müssen menschenverträglich gestaltet werden.

3.      Keine weitere Ausdehnung der bestehenden Flächen für den motorisierten Verkehr, ganz im Gegenteil, der öffentliche Raum muss neu und für alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt verteilt werden.

4.      Bahn und ÖPNV müssen noch attraktiver werden: Park & Ride, Bike & Ride müssen eine größere Unterstützung bekommen.

5.      Der Verkehrslärm muss weniger werden. Flüsterasphalte für die lautesten Straßen, mehr Tempo 30 wagen, Straßengüter-  und Schienengüterverkehr perspektivisch um die Stadt leiten.

6.      Das Umsteigen vom Auto auf den Umweltverbund unterstützen, z.B.  durch dynamische Parkraumbewirtschaftung.

7.      Durchgangsverkehr raus aus Bremens Wohnzimmer (Hochstraße am Breitenweg, Martinistr., Neuenlander Str.)

8.      Elektromobilität: Bremen als Pilotstadt für Pedelecs und  insbesondere leichte E-Fahrzeuge entwickeln.

9.      Citylogistik aus dem GVZ ausweiten.

10. Die Potenziale des Mobilitätsmanagements müssen genutzt werden: z.B. Anreize für Beschäftige zum Umstieg auf den ÖPNV, effiziente Fuhrparks für Betriebe, sowie effiziente Logistik und Touren.

11. Langsamkeit tut auch in Bremen gut: Entschleunigung ist positiv zu besetzen – z.B. mit Autofreien Aktionstagen(„Slow Up“ heißt es bei den Schweizern), Chancen für Temporeduzierungen auf 30 oder 20 sind bei jeder Planung zu prüfen.

12. Last but not least: Car Sharing und Dienstfahrrad/Dienstpedelec statt Dienstwagen, mehr Carsharing auch für gewerbliche Nutzung. 

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