Ein breites Bündnis von Verkehrsinitiativen und Behindertenverbänden hat am 16. Januar 2024 bei der Bremischen Bürgerschaft eine Petition eingereicht, mit der es eine zentrale Haltestellenanlage vor dem Konzerthaus Glocke mit kurzen und barrierefreien Umstiegswegen fordert.
Im Zuge der Entscheidung, die Straßenbahnlinien 2 und 3 nicht in die Martinistraße zu verlegen, sondern in ihrer jetzigen Linienführung zu belassen, hat der Senat auch den Umbau der Haltestellenanlage an der Domsheide beschlossen. Nach dieser Planung sollen die Haltestellen der Linien 2 und 3 weiterhin im Bereich des heutigen Postamts verbleiben, die Haltestellen der Bus- und Straßenbahnlinien, die auf der Achse Hauptbahnhof - Neustadt verkehren, sollen um mehr als 50 m gegenüber der heutigen Lage der Haltestellen in Richtung Wilhelm-Kaisen-Brücke verschoben werden. Begründet wird dies mit übergeordneten städtebaulichen Belangen.
Diese Begründung überzeugt das Bündnis von Verkehrsinitiativen und Behindertenverbänden - wie sich aus seiner Petition im Einzelnen ergibt - nicht. Vielmehr sieht das Bündnis in dieser Planung, sollte sie umgesetzt werden, eine deutliche Abwertung des ÖPNV und eine weitere Verschlechterung der Umstiegswege gegenüber der heutigen Situation. Fahrgäste, die an der Domsheide umsteigen, werden häufig ihre direkten Anschlüsse oft nicht mehr erreichen, so dass sich Fahrzeiten um bis zu 15 Minuten verlängern können. Neben einem verlängerten Umstiegsweg müssen Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen überdies noch das langgezogene Gefälle in der Balgebrückstraße überwinden, wenn sie von einer dort gelegenen Haltestelle in die Linie 2 oder 3 umsteigen wollen. Diese besondere Erschwernis betrifft nicht nur Menschen mit Rollstuhl und Gehbehinderte Fußgänger*innen mit und ohne Rollator, sondern auch Personen mit Herz-, Kreislauf- und Lungenerkrankungen, die körperlich nur wenig belastbar sind, sowie Menschen mit Kinderwagen oder großen Gepäckstücken. Auch für Blinde und Sehbehinderte würde die Umstiegssituation durch die längeren Wege wesentlich verschlechtert. Der mit dieser Variante des Umbaus verbundene Wegfall des Wendegleises der Straßenbahn zwischen Haltestelle und Wilhelm-Kaisen-Brücke vermindert zudem die betriebliche Flexibilität.
Durch die vom Senat verfolgte Planung könnte es zudem vermehrt zu Konfliktsituationen zwischen Fahrradfahrer*innen und Fußgänger*innen kommen. Denn die Fahrgäste, die von und zu den Haltestellen in der Balgebrückstraße kommen, müssen die Achse Marktstraße - Dechanatsstraße kreuzen, bei der es sich um eine wichtige Radwegeverbindung handelt. Weitere Konfliktsituationen können durch den Radverkehr von und zur Wilhelm-Kaisen-Brücke und die wegen der Haltestellen in der Balgebrückstraße vor Allem in Stoßzeiten erhöhte Zahl von Fußgänger*innen entstehen. Täglich gibt es immerhin gut 13.000 Umstiege an der Domsheide, was sie zu einem der bedeutendsten Bremer Knotenpunkte im ÖPNV macht.
Mit einer zentralen Haltestellenanlage vor der Glocke könnten nach Überzeugung des Bündnisses von Verkehrsinitiativen und Behindertenorganisationen die genannten Probleme hingegen vermieden werden: Hierdurch würden der Rad- und Fußverkehr entflochten, kurze und wirklich barrierefreie Umstiegswege ohne Steigung entstehen und somit der ÖPNV attraktiver und die Umsteigzeiten kürzer werden. Der besonderen Bedeutung des Konzerthauses Glocke kann dabei durch die Verlegung sogenannter Flüstergleise (Masse-Feder-System), durch die die Fahrgeräusche der Straßenbahnen gedämpft werden, sowie durch eine städtebaulich ansprechende und attraktive Gestaltung des Platzes und der Haltestelle zwischen Glocke, Landgericht und heutigem Postamt Rechnung getragen werden. Dies könnte mit einem städtebaulichen Gestaltungswettbewerb erreicht werden. Schließlich würde durch die Schaffung einer zentralen Haltestelle eine Sichtachse von der Wilhelm-Kaisen-Brücke auf die Glocke eröffnet, was deren Bedeutung ebenfalls hervorheben würde.
Dr Joachim Steinbrück, 2. Vorsitzender von Selbstbestimmt Leben Bremen und Mitglied des Forums Barrierefreies Bremen meint zu den Planungen des Senats: "Mich erinnert die Planung des Senats an einen Schildbürgerstreich: Einerseits will der Senat den ÖPNV attraktiver machen, andererseits sollen die Haltestellen an der Domsheide so weit auseinandergerissen werden, dass die langen Umstiegswege den ÖPNV und die Barrierefreiheit deutlich verschlechtern. Weiter halte ich diese Planung für unsolidarisch, da sie tausende von Fahrgästen trifft, die keine Alternative zum ÖPNV haben, also kein Fahrrad oder Auto nutzen können oder wollen."
Bei Rückfragen
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