Das Gebiet - Bremerhavener Weserwatt
Das Bremerhavener Weserwatt bildet gemeinsam mit der an der südlichen Stadtgrenze Bremerhavens gelegenen Luneplate den am meisten naturbelassenen und wertvollsten Naturraum an der ganzen Unterweser. Das als Flora-Fauna-Habitat (FFH), als Natur- und Vogelschutzgebiet ausgewiesene Areal ist einer der bedeutendsten Lebensräume für Pflanzen und Tiere im Land Bremen. Im Naturschutzgebiet Luneplate, und zwar im nördlichen Abschnitt des Bremerhavener Weserwatts auf Höhe des Fischereihafens liegt auch das geplante 25 Hektar große Baufeld des OffshoreTerminals Bremerhaven.
Die Bedeutung für die Natur
Die Luneplate und das Brackwasserwatt zwischen Weser und Nordsee mit den angrenzenden Flachwasserbereichen sind herausragendes Vogelbrut- und Rastgebiet. Mehrere Tausend Säbelschnäbler rasten und mausern hier alljährlich – ein Rastplatz von internationaler Bedeutung. Dazu kommen Hunderte von Krickenten, Sandregenpfeifern und Uferschnepfen. In den Röhrichten brüten u.a. Blaukehlchen und Bartmeisen. Im brackigen Flachwasser müssen Wanderfischarten wie Meerforelle, Finte und Neunaugen einige Zeit verweilen, um ihre Körperfunktionen vom salzigen Meerwasser an das Süßwasser des Flusses anpassen. In diesem bislang weitgehend intakten Lebensraumkomplex im Blexer Weserbogen will der Bremer Senat das Offshore-Terminal bauen.
Das Vorhaben - Offshore-Terminal Bremerhaven
Bremerhaven konnte bis 2010 als einziger Standort an der deutschen Nordseeküste die Fertigung fast aller Komponenten für Windkraftanlagen bieten. Auch eine Forschungs- und Entwicklungs- sowie Bau - und Errichtungsinfrastruktur war gegeben. Jedoch fehlte eine leistungsfähige Umschlaganlage für die Verschiffung kompletter Offshore-Parks in der Nordsee. Das OTB ist als Vorstau- und Montagehafen für Offshore-Windparks geplant, auf dem die einzelnen Windkraftkomponenten gesammelt, zwischengelagert und teilweise vormontiert werden. Die Komponenten sollen möglichst alle aus den Bremerhavener Produktionsstätten im südlichen Fischereihafen über eine schwerlastfähige Straße, die jetzige große Start- und Landebahn des Flugplatzes Luneort, und eine neu zu bauende Rampe auf das Terminal gebracht werden. Weserseitig soll auf 500 m Länge eine Schwerlastkaje mit zwei Liegeplätzen für Errichterschiffe entstehen. Allerdings hat sich seit 2010 die Situation in der Windkraft-Offshore-Branche grundlegend gewandelt. Mehrfach kam es zu Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die vor allem eine erhebliche Reduktion der Offshore-Ausbauziele - von 25 Gigawatt bis 2025 auf 15 Gigawatt bis 2030 - mit sich brachten. Zudem haben sich die technischen Schwierigkeiten bei Errichtung, Anschluss und Betrieb der Anlagen auf See als deutlich größer erwiesen als angenommen. Diverse Projekte sind ins Stocken geraten, Investoren und Projektentwickler haben Pleite gemacht oder sich aus dem Markt zurückgezogen. Die Produktions- und Logistikbedingungen haben sich zudem zum Nachteil des Standortes Bremerhaven weiterentwickelt. Eine zunehmende Marktkonzentration auf die großen drei der Branche, nämlich Siemens/ Gamesa mit dem zukünftig wichtigsten Produktionsstandort in Cuxhaven, MHI/ Vestas und GE/ Alstom haben zwischenzeitlich zum Aus für große Teile der Bremerhavener Windanlagenproduktion geführt. Fazit: Das Konzept OTB als Basishafen für Offshore-Windkraftanlagen geht nicht mehr auf. Die Palette der Anlagenbauer in Bremerhaven ist weitgehend zusammengebrochen. Als einziger ansässigen Gondelbauer ist Senvion verblieben, die ihren Schwerpunkt im Onshore-Geschäft haben. Der OTB wird denn auch bereits hinter vorgehaltener Hand von manchem politischen Akteur als x-beliebiger Schwerlastterminal umdeklariert. Offshore-Wind spielt dabei gar keine Rolle mehr.
Lage des Offshore Terminal im Naturschutzgebiet
Das geplante Offshore-Terminal (Gelb, Darstellung nicht maßstabsgenau) mit den Vertiefungszonen (Blau) mitten im FFH-Gebiet, Vogelschutzgebiet und Natruschutzgebiet (Grün).
Die Auswirkungen auf Natur und Umwelt
Sollte das Offshore-Terminal wie geplant gebaut werden, werden erhebliche Teile Brackwasserwatt und Flachwasser der zentralen Brackwasserzone verloren gehen – Lebensräume, die ohnehin schon in besonderem Maße überbaut und zerstört wurden. Denn das Vorhaben liegt genau in dem Bereich der Wesermündung, wo der Anteil von Hafenanlagen und Uferbefestigungen ohnehin schon besonders groß ist. Von Stör- und Scheuchwirkungen deutlich über das Baufeld hinaus muss ausgegangen werden. Mausernde und rastende Zugvogelschwärme werden verdrängt. Immerhin sind im Tidepolder der Luneplate erfolgreiche für den Artenschutzmaßnahmen Säbelschnäbler durchgeführt worden.
Die Kritik am Offshore-Terminal zusammengefasst
Ökologisch: Das geplante Baugebiet ist einer der wertvollsten Bereiche im Bremerhavener Weserwatt, und hat außerdem eine enorme Bedeutung für die Naherholung der Bevölkerung. Dieses Gebiet für eine 250.000 qm große Betonplatte zu opfern und unwiderruflich zu zerstören, ist nicht mehr zu rechtfertigen.
Ökonomisch: Die wirtschaftliche Kalkulationsbasis für die im Jahr 2011 getroffene Standortentscheidung ist komplett weggebrochen. Die bundesweiten Ausbauziele für Offshore-Windenergie bis 2030 wurden auf die Hälfte reduziert. Alle größeren Offshore-Unternehmen, die möglicherweise ein solches Terminal nutzen könnten, existieren nicht mehr (z.B. der Fundamenthersteller Weserwind und der Gondelproduzent Adven) oder haben große Mühe, am Offshore-Markt zu bestehen (z.B. Repower-Senvion).
Spätestens mit der 2015 erfolgten Standortentscheidung des größten europäischen Offshore-Anlagenbauers Siemens, eine neue Produktionsstätte für Offshore-Windkraftanlagen nicht in Bremerhaven, sondern in Cuxhaven aufzubauen, ist überdeutlich geworden, dass das geplante OTB für die Entwicklung der Offshore-Windenergie nicht mehr benötigt wird.
In dieser Situation das OTB zu bauen, wäre der geradezu verzweifelte Versuch, mit einem veralteten Konzept völlig ungewisse Marktanteile durch eine enorme Vorleistung zurückgewinnen zu wollen: Eine Wette auf die Zukunft! Vielmehr ist es an der Zeit, zusammen mit Niedersachsen eine sinnvolle regionale Kooperation und Zulieferstruktur zu fördern.
Bremer Haushaltsroulette: Für das OTB wurde weder ein privater Investor noch ein privater Betreiber gefunden. Trotzdem sollen mindestens 180 Millionen Euro an extrem knappen bremischen Haushaltsmitteln eingesetzt werden. Dabei ist völlig unklar, wie sie sich je durch den OTB-Betrieb wieder refinanzieren sollen – ein völlig ungedeckter Scheck auf die Zukunft. Sicher ist eigentlich nur, dass die Bausumme nach den Erfahrungen mit ähnlichen Projekten (z.B. Jade-Weser-Port) weitaus höher ausfallen dürfte, als bislang vorgegeben.
Bessere Alternativen: Um die Wirtschaftskraft und Energiewende in Bremerhaven zu fördern, wäre es sinnvoller, die extrem knappen Investitionsmittel, z.B. für ein ambitioniertes Energieeffizienzprogramm in der Klimastadt Bremerhaven zu verwenden, für öffentliche Bauten, in Gewerbebetrieben und Haushalten. Die vorhandene Hafeninfrastruktur ist an vielen Stellen sanierungsbedürftig. Schließlich macht es für die Perspektiven der Seestadt großen Sinn, die Hochschule auf 5.000 Studierende zu erweitern. Investieren in Köpfe statt in Beton!