Alles entscheidend: Kükenschutz
Mit dem Schlüpfen der Küken beginnt Ende April bzw. Anfang Mai der komplizierte Teil des Wiesenvogelschutzes, denn die kleinen Tiere sind Nestflüchter. Kaum aus den Eiern gepellt, setzten sich die Familien in Bewegung und suchen im Grünland nach Nahrung, die sie z.B. an nassen Blänken, schlammigen Grabenufern oder in der blütenreichen Wiesenvegetation finden. Hier ist Mobilität gefragt, denn die guten Nahrungsplätze müssen nicht nur gefunden, sondern auch möglichst schnell erreicht werden, - für die Küken ein Kraftakt. Gleichzeitig lauern überall Gefahren: Die Landwirte beginnen mit dem Mähen der Wiesen. Überall rollen die Mähwerke an, was wiederum viele Greifvögel, Reiher, Störche oder Krähen ins Grünland zieht, denn dort ist jetzt Beute zu machen.
Wie lassen sich in diesem heillosen Durcheinander nun die Küken retten? Auch hier hat der BUND, der in dieser Phase praktisch täglich im Einsatz ist, gut funktionierende Strategien ausgeklügelt.
- Immer die Aufenthaltsorte der Familien im Blick haben und mit den Landwirten abklären, wann und wo gemäht wird.
- Ungemähte und Deckung bietende Fluchtstreifen auf den Wiesen stehen lassen.
- Beim Mähen mit auf dem Traktor sitzen und aufpassen, dass keine Küken getötet werden.
- Bewässern von Flutmulden auf Flächen, die zunächst nicht gemäht werden. Hierdurch Vögel in gesicherte Bereiche locken.
Klar, dass dies einen intensiven Austausch mit den Landwirten und eine gute Koordination im Team erfordert. Nur wenn ausreichend viele Jungvögel den Mai unbeschadet überleben, hat sich letztlich auch die mühsame Gelegeschutzarbeit im April gelohnt.
Fluchtstreifen einrichten
Auf Wiesen mit günstigem Nahrungsangebot finden sich häufig mehrere Paare mit Küken, nicht selten sogar regelrechte Familienverbände ein. Falls hier gemäht wird, ist nicht nur höchste Vorsicht geboten (siehe kükenfreundlichen Mähen), sondern auch der "Fluchtstreifen" eine geeignete Schutzmethode.
Fluchtstreifen sind mindestens 5 Meter breite Wiesenstücke, die nicht gemäht werden und den Küken Deckung vor Bussarden, Rohrweihen, Krähen usw. bieten, wenn in der Umgebung alles abgeerntet und kahl ist. Dies erfordert allerdings eine hohe Kompromissbereitschaft des Landwirtes. Schließlich muss er auf einen Teil der Grasernte verzichten und die stehen gebliebenen Streifen später, wenn die Jungvögel erwachsen geworden sind, in einem separaten Arbeitsgang nachmähen.
Für derartige, vor Ort auszuhandelnden Schutzmaßnahmen kann der BUND dem Landwirt eine flächengenaue Prämie auszahlen. Für die meisten Bauern steht hierbei aber nicht das Geld, als vielmehr das Überleben "ihrer" Küken im Vordergrund.
"Nasszellen" im Grünland einrichten, Küken in gesicherte Bereiche steuern
Für die Wiesenvögel, insbesondere für die jungeführenden Paare, werden im Vorfeld der Wiesenmahd hochattraktive Habitate dort entwickelt, wo bis mindestens Mitte Juni keine landwirtschaftlichen Arbeiten stattfinden, vorzugsweise also auf Vertragsnaturschutzflächen. Seit 2012 wird dies z.B. im Blockland in den dicht besiedelten Brutgebiete praktiziert. So konnten an bisher 7 Standorten kilometerlange, jeweils 4-6 m breite flache Mulden mit dem Bagger oder mit der Fräse angelegt werden, in denen sich dann das Wasser sammelt. Bei Trockenheit in der Brutzeit und insbesondere in der Kükenphase wird dort gezielt mit Wasser nachgepumpt. Die so eingerichteten Flutmulden üben eine magische Anziehungskraft auf nahrungssuchende Watvogelfamilien aus, d.h. die Tiere werden auf diese Weise massenhaft in gesicherte Bereiche gelockt.
Diese Methode trug auch in 2017 maßgeblich zum Aufzuchterfolg der Wiesenvögel bei und reduzierte gleichzeitig das Risiko der Küken, auf den Mähwiesen in die Mähwerke zu geraten.
Kükenfreundliches Mähen
Auf Wiesen, in denen sich Watvögel mit Küken aufhalten, wird mit dem Landwirt der bevorstehende Mähvorgang eingehend besprochen. So ist für das Überleben der noch wenig mobilen Jungvögel wichtig, den Wiesenschnitt mit stark reduzierter Geschwindigkeit vorzunehmen und das Mähen vom Inneren einer Wiese nach außen, im Einzelfall auch in eine bestimmte Richtung auszuführen. Im Regelfall wird dieser Arbeitsgang von BUND-Mitarbeitern intensiv begleitet. So können vom Traktor aus die langsam flüchtenden Vögel in der Regel gut beobachtet und das Mähen so gesteuert werden, dass die Küken den Wechsel auf die rettende Nachbarwiese schaffen. Oft müssen hierbei Pausen eingelegt, Richtungswechsel vorgenommen oder die Küken manchmal auch per Hand auf die andere Grabenseite gesetzt werden.
Dieses Verfahren wurde in den vergangenen Jahren mit vielen Bauern regelrecht „trainiert“, verlangt von diesen viel Geduld und Engagement, ist aber v.a. bei Uferschnepfen, Brachvögeln und Rotschenkeln sehr erfolgreich anzuwenden. Der BUND kann hierfür eine kleine ha-Prämie auszahlen. Entscheidend für das Mitwirken der Bauern ist hingegen in all den Jahren eher der sichtbare Überlebenserfolg der Küken. Von den Mitarbeitern des BUND, die in der heißen Phase tagelang auf Traktoren mitfahren, erforderte es eine hohe Konzentration auf das, was vor dem Mähwerk stattfindet.